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Sturmhöhe von Emily Brontë

  • Autorenbild: Sara Malek
    Sara Malek
  • 8. Aug. 2024
  • 6 Min. Lesezeit

Emily Brontë Sturmhöhe
Emily Brontë Sturmhöhe

Dieses Buch hatte ich mir schon länger vorgenommen und bin mit einem gewissen Respekt daran herangegangen, da ich schon geahnt habe, dass es keine leichte Lektüre wird. Zurecht, wie sich herausgestellt hat!


Werke aus dieser Zeit (1847 erstmals erschienen) sind ja allein aufgrund der Sprache und wegen des damaligen Lebensstils der Menschen, meiner Meinung nach, schwierig. Aber Wuthering Heights, wie es im Originaltitel hieß, ist eine Größe für sich. Ob das jetzt etwas Positives ist, werden wir gleich sehen!

Aber, wie schon so viele vor mir, muss auch ich euch warnen: Sturmhöhe ist absolut keine Liebesgeschichte.






Inhalt


Sturmhöhe spielt in einer sehr entlegenen Gegend , genau genommen erstreckt sich der Handlungsspielraum unserer Protagonisten auf ausschließlich zwei Häuser der Nachbarschaft und das Moor.

Emily Brontë erzählt eine umfassende Familiengeschichte über drei Generationen. Wir begleiten die Charaktere der zwei Familien in ihren Erlebnissen und über ihr Leben hinweg. Es geht vorwiegend um die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander. Ziemlich verkorkste Beziehungen, muss ich sagen. Und hier würde mir jeder zustimmen, denke ich. Es gibt wenig liebevolle Handlungen, im Gegenteil.

Es fällt mir sehr schwer zu beschreiben, was eigentlich der Kern der Geschichte ist. Doch dazu später.



Die Erzählperspektive


Da sind wir jetzt schon bei meinem ersten Kritikpunkt. Sturmhöhe wird fast ausschließlich aus Sicht des Hausmädchens Ellen Dean erzählt, die selbst aber kaum Einfluss auf die Geschichte hat. Die ersten Seiten des Buchs erleben wir aus Sicht des neuen Pächters und das aus der Ich-Perspektive. Danach lesen wir nur noch aus Mrs. Deans Sicht, also Mrs. Deans Bericht an den Pächter. Irgendwann gegen Ende spricht plötzlich wieder der Pächter. Gleich darauf erklärt der Pächter, dass er nun selbst wiedergeben möchte, was Mrs. Dean ihm erzählt hätte. Und zum Schluss ist wieder der Pächter selbst dran.

Was??? Zwischenzeitlich war ich wirklich verwirrt. Mal waren Anführungszeichen da, Mal waren sie weg. Dann erzählt wieder der Pächter, dann doch wieder nicht. Und richtig absurd wurde es, als der Pächter die Erzählung von Mrs. Dean wiedergegeben hat und diese dann ein Gespräch mit einem anderen Hausmädchen hatte, Zillah, die wiederum eine langen Bericht an Mrs. Dean abgab über die Geschehnisse im Haus in Wuthering Heights, weil Mrs. Dean eben nicht selbst dabei war.

Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass Emily Brontë ihr Manuskript begonnen hat und sich dann irgendwann in die Ecke geschrieben hat. Irgendwann hat sie vielleicht selbst gemerkt, dass es schwierig ist, aus Mrs. Deans Perspektive zu schreiben, aber sie hat es durchgezogen. Und wie ...

Ich verstehe schon, früher musste alles per Hand geschrieben werden und Änderungen waren schwer, aber ist das wirklich die beste Art gewesen, diese Geschichte zu erzählen?


Eine andere Zeit


Ja, eine andere Zeit war es wohl allerdings. Der Umgang der Männer gegenüber den Frauen ist sehr hart. Es wird deutlich, welche Stellung Frauen früher hatten. Eigentlich waren sie ihr ganzes Leben lang dem Willen eines Mannes unterworfen. Sie mussten alles erdulden, hatten kein Mitspracherecht und keine Möglichkeit zu entkommen. Für die moderne Frau ist das undenkbar, zum Glück!

Der Umgang nicht nur der Erwachsenen untereinander, aber auch die Einstellung, die man gegenüber Kindern hatte, ist der Wahnsinn! Dazu kommen eingestreute Beschimpfungen und richtig arge Drohungen. Der Tod stand wohl auch auf der Tagesordnung. Zumindest aus Emily Brontës Beschreibungen geht hervor, dass mit dem Tod viel lockerer umgegangen wurde, als heute.

Das ist mir schon öfter in älterer Lektüre aufgefallen.

So zeichnet sich auch dieses Werk durch seine trockene, leidenschaftslose Prosa aus. Es ist gewissermaßen leidenschaftlich leidenschaftslos geschrieben. Dieser Effekt wird durch die seltsame Erzählperspektive verstärkt. Gleichzeitig beschreibt die Autorin so wundervoll und detailreich, dass man sich die Umgebung und die Charaktere von Anfang an sehr gut vorstellen kann. Nur deren Handlungen werden absolut kühl und ohne jegliche Schnörksel dargestellt.


Das Motiv


Zu Beginn habe ich gesagt, ich wüsste gar nicht, was der Kern der Geschichte sei, doch wenn ich genauer darüber nachdenke ..., ich weiß, worum es geht. Es geht um Rache. Das ist das einzige Motiv, das sich durch den gesamten Roman zieht.


"Ich habe einen einzigen Wunsch, und mein ganzes Wesen und alle meine Lebenskräfte sehnen sich nach seiner Erfüllung."
"[...] war bestürzt über die Schwärze eines Charakters, der jahrelang Rache brüten und hegen konnte und seine Pläne mit Bedacht und ohne Reue verfolgte."

Das beschreibt es ziemlich gut.


Zwei Schwestern - zwei Werke


Was mir außerdem aufgefallen ist: Bei beiden Brontë Schwestern, in Emilys Sturmhöhe und in Charlottes Jane Eyre ist Geisteskrankheit ein großes Thema. Ich hasse es zwar selbst, mit meiner Schwester verglichen zu werden, aber die Brontë-Schwestern sind ja schon lange verstorben, also geht das in Ordnung, denke ich. Emily schafft es, die Charaktere lebensecht und facettenreich darzustellen, auch wenn manche Charaktere ganz schön extrem sind. Alltägliche Begebenheiten werden zu interessanten Ereignissen, weil die Personen so gut gezeichnet sind. Das schafft Charlotte in Jane Eyre zwar auch, jedoch unterscheiden sich die beiden Werke doch deutlich in der Stimmung und in den Persönlichkeiten der Figuren voneinander.

Der einzige Charakter, den ich in Sturmhöhe halbwegs sympathisch fand, ist Mrs. Dean. Vielleicht auch nur, weil sie kaum aktiv beteiligt ist. Alle anderen sind durchwegs unsympathisch bis hin zu richtig unausstehlich! Von Heathcliff will ich gar nicht sprechen ... Es wurde bis zum Ende hin immer schlimmer.

Nagut, vielleicht war Edgar Linton auch halbwegs in Ordnung ...


Unsympathische Charaktere


Es ist mir ab einem gewissen Punkt richtig schwer gefallen, weiterzulesen. Ich hatte sogar überlegt, ob ich abbrechen soll. Die Charaktere, ihre Handlungen und die Begebenheiten waren alle so düster, so gemein und hoffnungslos, dass es kaum auszuhalten war. Ihr seid also gewarnt! Wenn ihr in einem Stimmungstief oder vielleicht sogar in einer Depression steckt, solltet ihr dieses Buch vielleicht lieber nicht lesen. Es ist wirklich schlimm.

Man liest und liest und wartet und wartet auf einen Lichtblick und es kommt keiner. Es wird schlimmer und schlimmer und man fragt sich, wo das alles überhaupt noch hinführt.

Bis endlich das Ende kommt.


Heathcliff über seinen Sohn und dessen Frau Cathy:


"Ich fürchtete schon, ich müsste hinunterkommen und mein Eigentum selbst holen. Du hast ihn gebracht, nicht wahr? Lass sehen, was sich damit anfangen lässt."
"Wäre ich in einem Lande geboren, wo der Geschmack weniger zimperlich und die Gesetze weniger streng wären, würde ich mir einen Spaß daraus machen, die beiden dort langsam zu Tode zu quälen."
""Du siehst, ich verstehe Kinder zu züchtigen", sagte der Schurke grimmig, während er sich bückte, um sich den Schlüssel wieder anzueignen, der hinuntergefallen war. "Geh jetzt zu Linton, wie ich dir befohlen hatte, und weine, soviel du willst. Morgen werde ich dein Vater sein - der einzige Vater, den du in einigen Tagen überhaupt haben wirst -, und du sollst viel Schläge bekommen. -Du kannst viel vertragen. Du bist kein Schwächling. Du sollst täglich eine Probe davon haben, wenn ich wieder so ein teuflisches Feuer in deinen Augen aufblitzen sehe."

Über große Teile des Romans war mir übrigens nicht klar, ob ich Heathcliff für den Helden oder Schurken halten soll.


Das Ende


Achtung an alle, die es noch lesen möchten: Spoileralarm!


Es gab wenige glückliche Momente, doch sie waren definitiv da. Vielleicht zwei oder drei Stellen, die ich wirklich schön fand oder zumindest positiv dramatisch. Zum einen war das die Freundschaft zwischen Heathcliff und Catherine, dann ihre Leidenschaft zueinander, trotz aller Widrigkeiten und zuletzt (und das hat den Roman letztendlich auch für mich gerettet) die Liebe zwischen Cathy und Hareton.

Vor allem letzteres war so schön für mich. Ich konnte nur denken: Gott sei Dank! Endlich! Danke Emily Brontë, danke!

Ich habe noch nie etwas gelesen, bei dem ich Seite um Seite einfach nur darauf gewartet habe, dass der Bösewicht endlich stirbt. Alle anderen Protagonisten sind ihm und seinen Machenschaften völlig hilflos ausgeliefert und passiv.


Mrs. Dean über Heathcliff:

"Ist der Mann ein Dämon oder ein Vampir?"

Das ist witzig, weil ich weit zuvor im Roman mich genau das gleiche gefragt habe.


Emily Brontë verstößt hier ungefähr gegen alle Schreibregeln, die es gibt! Das ist Wahnsinn ... aber es gibt genug Menschen, die ihr Buch lieben. Ich gehöre definitiv nicht dazu. Mir war es zu deprimierend, zu verschachtelt, zu umständlich in der Erzählform und die Charaktere waren viel zu unsympathisch. Ich hätte wenigstens eine Person gebraucht, an der ich mich festhalten hätte können. Am Ende war dies vielleicht Cathy, aber das hat einfach nicht gereicht.


Auch wenn mir das Buch nicht besonders gefallen hat, werde ich es bestimmt nicht mehr vergessen und das nicht zuletzt wegen der besonders unsympathischen Charaktere.


Jetzt bin ich besonders gespannt, was eure Meinung dazu ist! Schreibt mir ein Kommentar dazu, bis bald!

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