Der Steppenwolf von Hermann Hesse
- Sara Malek
- 30. Juli 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Aug. 2024

Dieses Buch gehört schon seit meinen Jugendjahren zu meinen absoluten Lieblingsbüchern.
Zu Beginn erzählt uns der Neffe der Vermieterin aus seiner Sicht vom Protagonisten, Harry Haller. Hier darf man sich nicht täuschen lassen, da Hesse seine Leser mit der Überschrift "Vorwort des Herausgebers" in die Irre führt. Wahrscheinlich hat er dies aber absichtlich gemacht, um die Geschichte realistischer wirken zu lassen.
Spätestens nach fast dreißig Seiten Vorwort merkt man aber, dass man schon mitten in der Geschichte ist. Der sogenannte Herausgeber ist in diesem Fall die fiktive Figur des Neffen.
Danach folgen HARRY HALLERS AUFZEICHNUNGEN.
"Es war einmal einer namens Harry, genannt der Steppenwolf. Er ging auf zwei Beinen, trug Kleider und war ein Mensch, aber eigentlich war er doch eben ein Steppenwolf."
In diesem Buch sind so viele kleine Weisheiten verborgen, dass es eine Freude ist! Kein Wunder, dass Hermann Hesse gerne zitiert wird und dass er 1946 den Nobelpreis für Literatur erhalten hat.
Wieso ist der Steppenwolf so liebenswürdig?
Denn eigentlich sollte er das mit den Eigenschaften, die er mitbringt, ganz und gar nicht sein! Doch das, was Harry Haller bzw. den Steppenwolf so liebenswürdig macht, ist die Verbundenheit, die der Leser zu ihm spürt. Jeder von uns trägt einen Steppenwolf in sich. Jeder von uns kennt das Gefühl des Nicht-Verstanden-Werdens und wir bewundern den Mut, den er hat, er selbst zu sein. Es sind nicht die anderen, die Harry Haller als Steppenwolf bezeichnen. Nein, er bezeichnet sich selbst als solcher!
Wir leben alle tagtäglich unser Leben, das wir eigentlich nicht verstehen, spielen das Spiel des Lebens nach seinen speziellen Spielregeln, wie gute Bürger eben. Doch Harry, der Steppenwolf kann das nicht akzeptieren und lehnt sich auf.
Ein Mensch, viele Persönlichkeiten
Harry erklärt uns, dass ein Mensch eine Persönlichkeit besitzt, die aus unendlich vielen Einzelteilen besteht. Wir haben alle Gewalt, Scham, Mut, Wildheit, Zurückhaltung, Depression etc... in uns. Anteile davon können wir unterdrücken, doch sie werden immer in uns sein.
Hesse spricht von Schizophrenie, doch hier muss man aufpassen: Früher wurde die Schizophrenie oftmals mit der multiplen Persönlichkeitsstörung (heute: dissoziative Identitätsstörung) verwechselt. Diese Begrifflichkeiten verschwimmen im Roman. Ich glaube jedoch, dass Hesse beides beschreibt.
Harry Haller hat aber meiner Meinung nach keine der beiden Krankheiten. Nur weil ein Mensch alle Facetten seiner Persönlichkeit spürt oder sich dessen bewusst ist oder vielleicht sogar darunter leidet, wie der Steppenwolf, heißt das nicht automatisch, dass man eine psychische Erkrankung hat.
Das verrückte Ende
Achtung, an alle, die es noch nicht gelesen haben: Spoiler-Alarm!
Ich habe den Steppenwolf jetzt schon ein paar Mal gelesen und das Ende hat mich immer etwas irritiert, da ich es nicht verstanden habe.
Was ich meine, ist das magische Theater. Und ich denke jeder, der das Buch liest fühlt sich zuerst ein wenig vor den Kopf gestoßen. Sind wir jetzt plötzlich in einer Fantasywelt gelandet? Nein ... natürlich nicht.
Je öfter ich es lese, umso klarer werden mir diese letzten Szenen, die uns wohl noch einen tieferen Einblick in die Persönlichkeitsstruktur geben sollen. Besonders beim Spiel mit den Schachfiguren wird dies klar.
Außerdem muss man bedenken, dass hier Drogen im Spiel waren, die vielleicht wahnhafte Erlebnisse zur Folge hatten. So oder so teilt das magische Theater den Roman meiner Meinung nach in einen dritten Teil, der sich von den anderen beiden (Das Vorwort und Die Aufzeichnungen (inkl. Tractat des Steppenwolfs)) deutlich abhebt.
Fazit
Ich sitze hier und blättere durch das Buch, um Zitate für euch herauszusuchen, aber es sind so viele wundervolle, geistreiche und witzige Sätze in diesem Buch, dass ich mich einfach nicht entscheiden kann! Hesse beschreibt in langen und doch wunderbar lesbaren Sätzen mit so qualvoll unpassenden und gleichzeitig doch so zutreffenden Adjektiven, dass das Lesen nur ein Vergnügen sein kann!
Ist es Zufall, dass Hermann Hesse dieselben Initialen, wie Harry Haller hat? Oder wollte uns der Autor andeuten, dass auch er einen Steppenwolf in sich trägt (so wie jeder von uns)?
Hesse führt uns in diesem Werk unsere tiefste Menschlichkeit vor Augen und deshalb liebe ich dieses Buch.
Bitte lest das Meisterwerk und schreibt mir ein Kommentar dazu. Seid ihr auch so begeistert wie ich? Ich freue mich außerdem auf eure Interpretation des Endes!
277 Seiten
ISBN : 978-3-518-36675-2
10,00 € (D), 10,30 € (A), 14,90 Fr. (CH)
Erstmals erschienen am: 30.04.1974
Suhrkamp Verlag
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